Anfang September haben Sie die Leitung der Abteilung 1 im BMZ übernommen und sind für ein breites Themenspektrum verantwortlich: Von der globalen Gesundheit über Bildung und Beschäftigung bis hin zur Ernährungssicherung. Welche Rolle spielt die digitale Transformation für all diese Themen?
Erst einmal: Ich freue mich sehr auf diese Themenvielfalt und die neue Herausforderung! Welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, lässt sich schon an der neuen Struktur der Abteilung ablesen: Wir haben mit Digitalisierung und Daten zwei entscheidende Stellschrauben für eine erfolgreiche digitale Transformation zusammengeführt. Denn Digitalisierung hilft uns, weltweite Herausforderungen besser zu bewältigen: Pandemien lassen sich durch digitale Epidemie-Management-Systeme verfolgen und eindämmen. Digitale Identitäten und elektronische Geldtransfers ermöglichen es Staaten, ihre Bevölkerung mit Basisleistungen zu versorgen, auch ohne Banken und Konten – und auch in Notlagen schnell zu reagieren. Künstliche Intelligenz kann im Kampf gegen den Klimawandel unterstützen, drohende Dürren oder Extremwetter rechtzeitig zu erkennen und sich darauf vorzubereiten. Zudem bieten digitale Technologien für Bürger*innen neue Jobchancen und Möglichkeiten, sich an politischen Prozessen zu beteiligen.
Gleichzeitig müssen wir uns den Risiken der Digitalisierung stellen: Von CO2-Emissionen bis zur digitalen Geschlechterkluft, Desinformationen, Überwachung, Datenmissbrauch oder der Einschränkung des Internets. Der Umgang mit diesen schnellen technologischen und sozialen Veränderungen spielt eine wichtige Rolle in der Arbeit mit unseren Partnern weltweit – auch in der internationalen Politikgestaltung.
Als „Wegweiser für digitalen Aufbruch” hat die Bundesregierung im August 2022 eine neue Digitalstrategie beschlossen, die auch die Entwicklung einer internationalen Digitalstrategie beinhaltet. Wie kann das BMZ diesen Prozess mitgestalten?
Deutschland ist weltweit das zweitgrößte Geberland in der Entwicklungszusammenarbeit und das BMZ versteht sich als Vorreiter einer neu verstandenen digitalen Entwicklungszusammenarbeit. Teil davon ist, unsere Erfahrungen und Schwerpunkte in den Dialog zu einer internationalen Digitalstrategie einfließen zu lassen. Mit der globalen GovStack-Initiative setzen wir zudem ein Leuchtturmprojekt aus der nationalen Digitalstrategie der Bundesregierung um. Unser Hauptanliegen ist jedoch nicht die Digitalisierung an sich. Wir wollen die internationale Digitalisierung menschenzentriert, nachhaltig und inklusiv gestalten – auch mit Blick auf die internationalen Prozesse. Von der Mitgestaltung des Global Digital Compact über die EU-Digitalagenda bis zum Internet Governance Forum der Vereinten Nationen: Als Ministerium setzen wir uns für eine sozial-ökologische und feministische Digitalpolitik ein und vertreten sie im Kreis der G7, G20 und in multilateralen Netzwerken wie der Digital Public Goods Alliance und der Smart Africa Alliance. Das internationale Herz der deutschen Digitalpolitik schlägt im BMZ.
Was bedeutet ein solcher digitaler Wandel für die Verwaltungsmodernisierung im BMZ?
Bei der Modernisierung unserer Verwaltung gehen Digitalisierung, Datenmanagement und IT Hand in Hand. Abteilungsübergreifend koordinieren wir die digitale Transformation des BMZ, zudem bauen wir die Datenkompetenz und Datenbasis im BMZ weiter aus. Ziel ist eine bessere datenbasierte Politikgestaltung, die transparent und effizient ist. Als Ausgangspunkt denken wir Chancen und Risiken der digitalen Transformation zukünftig noch stärker von Beginn an in unseren Projekten mit. So wollen wir sicherstellen, dass Digitalisierung als Standard im BMZ eingesetzt wird, um unsere Ziele noch effektiver und effizienter zu erreichen. In unserem Datenlabor schlagen wir mit der Erprobung von KI neue Wege ein.
Vor Ihrem Wechsel haben Sie die Abteilung „Grundsätze, Daten und Wirksamkeit“ geleitet. Was begeistert Sie am Thema Daten?
Daten sind vielfältig. Sie sind ein Vermögenswert, eine Ressource und auch ein Recht – je nachdem, wie man sie betrachtet. In jedem Fall sind sie entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und Innovation. Gleichzeitig bergen sie Risiken. Dazu gehören der Datenmissbrauch, die Fragmentierung der Datenmärkte und der mangelnde Zugang zu Daten – insbesondere für die Länder im globalen Süden und für Frauen und andere benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Die letzten Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Kontrolle über Datenströme gleichbedeutend ist mit der Macht, Wissen, Politik, Wirtschaft, Wahlen, Bildung, Privatsphäre und Gesundheit zu beeinflussen. Aufbauend auf der Datenstrategie der Bundesregierung setzen wir uns dafür ein, dass Datennutzung verantwortungsvoll für das Gemeinwohl erfolgt und den gesellschaftlichen Fortschritt fördert. Dafür wollen wir gemäß der Strategie eine Kultur des Datenteilens fördern, insbesondere indem wir Daten bereitstellen und Menschen befähigen, diese Daten für Ihre Zwecke zu nutzen. Die Macht zur Wertschöpfung aus Daten soll also nicht nur in den Händen einiger Weniger liegen, sondern alle gesellschaftlichen Gruppen – auch im globalen Süden – sollen mehr Daten nutzen können.
Welches Thema wird Ihrer Meinung nach zukunftsweisend für die Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit sein?
Die Digitalisierung verändert die Welt in einem rasanten Tempo. Wenn wir den Wandel aktiv mitgestalten wollen, müssen wir vorrausschauend handeln und die ethischen Aspekte der digitalen Transformation mitbedenken. Zukunftsweisend für uns alle, auch für die Entwicklungszusammenarbeit, werden die weiteren Entwicklungen bei der künstlichen Intelligenz sein, mit allen ihren Potenzialen und Gefahren. KI basiert auf Daten, die von Menschen programmiert, trainiert und eingesetzt werden. Die ethische Verantwortung liegt demnach in menschlichen Händen. Dennoch steht die Sorge im Raum, dass diese Technologien ein Eigenleben entwickeln. Bereits jetzt ist erkennbar, dass die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern und anhaltende Vorurteile in den Datensätzen die Unterrepräsentation von Frauen und benachteiligten Gruppen verstärken – insbesondere im globalen Süden. Wir müssen dafür sorgen, dass genderbezogene oder auch koloniale Stereotype nicht fortgeschrieben werden und alle Menschen von den Chancen der Digitalisierung profitieren. Darüber hinaus sollten wir dafür Sorge tragen, dass Arbeitsbedingungen durch KI und neue Technologien verbessert werden und Menschen nicht ausgebeutet werden, beispielsweise um eine KI zu trainieren.