Sie leiten das neue Datenlabor, da sehe ich jemand im weißen Kittel vor mir, experimentieren Sie mit Zahlen?
Der Vorteil von Daten ist, sie können einem nicht um die Ohren fliegen – jedenfalls selten. Aber zumindest ist man am Daten-Labortisch keinen unmittelbaren Gefahren ausgesetzt (lacht). Wir experimentieren tatsächlich mit Zahlen – allerdings am Computer. Data Science ist ein Modewort, das ausdrücken soll: Die ursprüngliche Statistik entwickelt sich weiter. Als Data Scientist konzentrieren wir uns mehr auf Software als Statistik, und arbeiten viel mit kleinen Anwendungen. Wir adaptieren auch Fortschritte in der Softwaretechnik und versuchen, schnell neue Verfahren zu nutzen, wie zum Beispiel Machine Learning aufzugreifen. Das ist das neuste Forschungsfeld und lässt sehr spannende Fortschritte erwarten. Gleichzeitig muss der Data Scientist aber immer die Ziele seiner Organisation im Blick haben- in unserem Fall die des Ministeriums. Er muss die Daten herausfinden, analysieren und darstellen können, die dazu beitragen, dass die Ziele der Organisation erreicht werden.
Klingt nach schwerer Kost. Warum brennen Sie dennoch für das Thema?
Was Machine Learning oder so genannte KI heute leisten kann, ist wirklich faszinierend! Wer sich einmal mit einer KI unterhalten hat oder die Ergebnisse der kunstgenerierenden KIs angesehen hat, wird wahrscheinlich nachvollziehen können, warum dieses Thema so spannend ist!
Aber das ist natürlich nur die absolute Spitze des gesamten Feldes. Data Science ist vor allem Handwerk und klassische Arbeit. Wir versuchen, Fehler in großen Datensätzen zu identifizieren oder Daten automatisiert zu transformieren. Das sind die Grundlagen unserer Arbeit und auch dafür muss man ein eigenes Interesse mitbringen. Doch das Spannende ist: Durch die Digitalisierung und die Explosion der Daten in den letzten 50 Jahren hat sich ein damit Feld aufgetan, das viele neue Ergebnisse bieten kann. Es gilt noch herauszufinden, was alles in diesem Feld möglich ist und was bisher noch nicht ausreichend genutzt wurde. Wir können hier also noch einiges verändern und ich freue mich, dass auch das BMZ sich weiterentwickelt und diese Vorteile nutzen möchte.
Entscheidend ist ja immer, was am Ende hinten rauskommt. Was kann das im Fall des Datenlabors sein und wozu brauchen wir das?
Zum einen ist die deutsche Verwaltung bekanntermaßen nicht gerade die Lokomotive, sondern eher der letzte Wagen im Bereich der Digitalisierung, und auch in Europa befinden wir uns im Vergleich zu anderen Ländern gerade noch so im Mittelfeld. Das heißt, wir sind 20 Jahre hinterher mit unserer Technik. Es gibt bereits viele Kolleg*innen und spannende Initiativen im BMZ, die an verschiedenen Projekten arbeiten und ihre Ideen gerne einbringen würden. Es gilt, das Wissen aufzusammeln und davon wegzukommen, dass wir nur mit Excel und E-Mails arbeiten.
Zum anderen sehe ich einen wichtigen Bedarf darin, in der Öffentlichkeit und in der Außendarstellung ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, was Entwicklungszusammenarbeit leistet. Ich glaube, dass man durch die Visualisierung von Zusammenhängen sehr viel erreichen kann und hoffe, dass wir das in den nächsten Monaten ermöglichen. Zum Beispiel durch das neue Transparenzportal, das das BMZ noch ohne Datenlabor hat entwickeln lassen. Es wird bald veröffentlicht, und von diesen Möglichkeiten können viele profitieren.
Was glauben Sie, können wir von unseren Partnern aus dem Globalen Süden für die Digitalisierung in Deutschland lernen?
Erstaunlich viel! Wir können mindestens genauso viel lernen, wie wir einbringen. Ich glaube, dass Deutschland durch seine strukturierte Vorgehensweise auf einem großen Feld von Vorgaben und Regulierungen sitzt, von dem es nur sehr schlecht herunterkommt. Deutschland ist sehr starr und unflexibel geworden. Es hat nicht geschafft, die Veränderungen, die Digitalisierung bedeutet, aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Wir sind dieses Problem immer noch nicht angegangen, weil es in den Vorhaben heißt: Wir wollen die Digitalisierung fördern, und gleichzeitig unsere bestehenden Vorgaben und Ziele auch weiter ausbauen. Ich fürchte, dass wir uns früher oder später entscheiden müssen, was uns mehr bedeutet, und ob wir beispielsweise auch bereit sind, Risiken einzugehen.
Vielleicht gelingt es, durch die Beispiele der Partnerländer zu zeigen, wo Deutschland sich selbst im Weg steht. Wir müssen uns zum Beispiel entfernen von den Vorstellungen der Verwaltung, dass die Freigabe von Daten ein Prozess ist. Stattdessen sollte die Nicht-Freigabe von Daten begründet werden. Wir brauchen also eine andere Mentalität in der Verwaltung, aber das ist eine Veränderung, die sehr lange dauern wird.
Sie sind einsam auf einer Insel gestrandet. Auf welche 3 Apps können Sie nicht verzichten?
Ich befürchte Twitter, und eine Google-KI wie Lens wäre auf einer einsamen Insel sicher gut – falls es Empfang gibt. Ich würde wahrscheinlich auch noch WhatsApp benutzen, um zu kommunizieren. Auch wenn das auf einer einsamen Insel nicht das ist, was man mal machen sollte: Entspannen und detoxen, von den ganzen Kommunikationsbelastungen.