Klickarbeiterinnen: Aufstiegschancen oder Rückschritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung?

  • Autorin

    Miriam Oliver

    GIZ Gig Economy Initiative and Georgia Nelson, GLI (Global Labour Institute, Manchester).

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ChatGPT verdeutlicht das enorme Potenzial von künstlicher Intelligenz (KI), komplexe Informationen in kürzester Zeit zu verarbeiten und zu präsentieren. Um solche eine Leistung zu erbringen, ist KI auf annotierte Daten, welche zunächst von Menschen kategorisiert und sortiert werden, angewiesen. Diese menschliche Datenaufarbeitung, welche Trainings für KI-Systeme und die dazugehörige Software unterstützt, wird oftmals als sogenannte Klickarbeit in den Globalen Süden ausgelagert. Der jüngste Bericht des Times-Magazins enthüllte die untragbaren Arbeitsbedingungen, denen Arbeiter*innen ausgesetzt sind, und brachte so einen sonst verborgenen Arbeitsmarkt ans Licht der Öffentlichkeit.

Gerade aufgrund der Flexibilität (jederzeit und überall) ist Klickarbeit eine attraktive Arbeitsoption für Frauen. Es ermöglicht ihnen, einer Arbeit nachzugehen und gleichzeitig auferlegten Betreuungspflichten nachzukommen. Der Prozentsatz weiblicher Plattformarbeitenden in diesem Sektor ist verhältnismäßig hoch. In Ländern wie Indien, in denen die Erwerbsbeteiligung von Frauen niedrig ist, stellen Frauen beispielsweise 18 % der Arbeiter*innen bei Amazon Mechanical Turk. Diese Entwicklung wurde im Rahmen einiger regulatorischer Ansätze als potenzielles Allheilmittel für eine höhere Erwerbsbeteiligung und Gleichstellung von Frauen angepriesen. Hinter dem Versprechen größerer Flexibilität und Autonomie verbirgt sich jedoch auch ein großes Risiko. Klickarbeit kann die Beschränkung von Frauen auf das häusliche Umfeld weiter verstärken und somit den jahrzehntelangen Fortschritt der Frauenbewegung zurückdrängen.

Für die 24-jährige Ambika (Name geändert) ist Klickarbeit eine Möglichkeit, den auferlegten häuslichen und pflegerischen Pflichten nachzukommen. „Als ich zur Arbeit ging, war meine Familie nicht glücklich“ sagt sie und fügt hinzu „jetzt unterstützen sie mich sehr“[1]. Der Online-Arbeitsmarkt bietet Frauen die Möglichkeit, wirtschaftlich unabhängiger zu werden. Kulturelle Hürden für die Arbeit von Frauen mithilfe von Apps von zu Hause aus sind geringer. Daher gehören oft Mütter, die zu Hause bleiben, zu den häufigsten Arbeiterinnen im Bereich der Klickarbeit. Susan (Name geändert), 35 Jahre alt, merkt an, sie kümmere sich um ihre Eltern und Schwiegereltern und erklärt uns, dass die Online-Arbeit es ihr ermöglicht, sich um den Haushalt zu kümmern und gleichzeitig etwas Geld dazuzuverdienen[2].

 

Clickwork bietet Chancen für Frauen und stärkt zugleich patriarchalische Strukturen

Arbeit wird oft als eine wichtige Grundlage für persönliche und ökonomische Eigenermächtigung angesehen. So können Frauen, die traditionell in den privaten Bereich verdrängt werden, sich mehr außerhalb des Privaten bewegen, mehr soziale Mobilität erlangen, ihre Stellung und Entscheidungskraft im Haushalt stärken und so unabhängiger werden. Das Modell der Klickarbeit bedeutet jedoch, dass die Möglichkeiten der Eigenermächtigung schwinden. Folglich werden so auch die Chancen auf ein kollektives Organisieren sowie die Stärkung der Rechte am Arbeitsplatz für Frauen, beeinträchtigt. Das Versprechen von größerer Flexibilität und Unabhängigkeit von häuslichen und pflegerischen Aufgaben, wird somit nicht eingelöst. In der Praxis wird die versprochene Flexibilität lediglich genutzt, um Frauen für andere Aufgaben zu gewinnen. Oft steht dahinter jedoch nur ein finanzielles Interesse der Klick-Plattformen[3].

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Regulierungsbehörden sind sich der langfristigen Auswirkungen der Dualität von Klickarbeit noch nicht bewusst; eine koordinierte politische Strategie kann Abhilfe schaffen

Der Kampf um die Entwicklung wettbewerbsfähiger Produkte und KI-Systeme, die es mit ChatGPT aufnehmen können, hat sich verschärft. Klickarbeit steht an einem Wendepunkt während Online-Arbeit eigentlich zu mehr Gleichstellung und Zugang für Frauen führen soll. Allerdings sind politische Maßnahmen und eine Sensibilisierung sowohl auf der Ebene der Plattformen als auch der Arbeitenden unabdingbar. Nur so kann verhindert werden, dass sich diskriminierende Strukturen in der Online-Welt spiegeln und verstärken.

Um die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt anzugehen, entwickelt die GIZ Gig Economy Initiative Kurse und Tools für politische Entscheidungsträger*innen. So wird über die wichtigsten Aspekte der Gig Economy (Arbeitsmarkt auf dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Auftragnehmer:innen vergeben werden) informiert und Ansätze vorgestellt, die Geschlechterrollen, Normen und strukturelle Machtverhältnisse adressieren. Die Initiative konzentriert sich außerdem auf den Aufbau von Kapazitäten von Plattformarbeitenden, insbesondere von Frauen. Hierzu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Erfahrungen und der Aufbau von Allianzen, die sich ähnlichen Herausforderungen auf und außerhalb der Klickarbeitsplattformen stellen.

 

[1] Gurumurthy, Anita and Zainab, Khawla and Sanjay, Sadhana, The Macro Frames of Microwork: A Study of Indian Women Workers on AMT in the Post-Pandemic Moment (June 1, 2021).

[2] ebd.

[3] Adams-Prassl A, 2021, The Gender Wage Gap in an Online Labour Markt: The Cost of Interruptions