Neue Möglichkeiten für den Einsatz digitaler Technologien in Konfliktregionen – Wie Projektsteuerung auch in fragilen Kontexten funktioniert
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Das Remote Management, Monitoring and Verification (RMMV) von Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit entstand u. a. aus dem Bedürfnis, in sicherheitskritischen Umgebungen präsent zu bleiben und die dort besonders vulnerable Bevölkerung zu unterstützen. Mittlerweile sind die Einsatzbereiche weit darüber hinausgewachsen, doch der Bedarf an Fernüberwachung in Konfliktregionen bleibt bestehen. Bei der RMMV-Konferenz von KfW und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Februar 2023 wurden vielfältige neue Möglichkeiten präsentiert.
Das Satellitenbild zeigt gestochen scharf, was im venezolanischen Regenwald vor sich geht: Weite Flächen sind abgeholzt, dafür Hütten entstanden. Die Nichtregierungsorganisation (NRO) SOS Orinoco sieht bestätigt, was Augenzeugen ihr zugetragen haben: Der Wald wird gefällt, um Platz für illegale Goldminen zu schaffen. Das Quecksilber aus der Goldgewinnung verseucht die umliegenden Gewässer. „Wir können nicht in die Region reisen, denn sie wird von der kolumbianischen Guerilla beherrscht“, erklärt Cristina Burelli, Gründerin von SOS Orinoco. Daher sind die Satellitenbilder, welche die Gegend mit einer Auflösung von zehn Metern zeigen, so wichtig. Sie beweisen: Seit 2018 sind mindestens 2.800 Hektar Wald gefällt worden. Mit Hilfe dieser Informationen können NRO rechtliche Schritte dagegen unternehmen.
Luftaufnahmen wurden auch nach dem großen Hochwasser in Pakistan 2022 genutzt. „Wir können nicht nur die überfluteten Flächen erkennen, sondern auch die Wassertiefe, die Dauer der Überschwemmung und das Ausmaß der Schäden“, betont Arnd Berns von der GAF AG. Das Kartieren von Katastrophengebieten wurde nach dem Tsunami in Südostasien erstmals eingesetzt; inzwischen wird es standardisiert und zeitnah angewandt, um Informationen für Nothilfe und Wiederaufbau zu liefern.
Nothilfe benötigt in kurzer Zeit viele Ressourcen. Wie diese gemäß internationaler Vergabestandards, aber gleichzeitig schneller, nachhaltiger und möglichst vor Ort beschafft werden können, zeigt eine App der niederländischen Firma Solvoz. „Alles ist weltweit jederzeit verfügbar, nur die Informationen fehlen“, so die Solvoz-Geschäftsführerin Claire Barnhoorn. Diese Lücke füllt die App durch Verweis auf tausende regionale Bezugsquellen.
Die Sahel-Alliance, ein Zusammenschluss mehrerer Geberorganisationen und der fünf Sahel-Staaten, nutzt seit 2021 eine gemeinsame Datenbank, in der Informationen von mehr als 200 laufenden Vorhaben festgehalten sind. „Der Austausch ist jetzt schneller, effizienter und transparenter“, sagt Bruno Leclerc, Regionaldirektor der Agence Française de Développement (AFD) im Sahel.
In der Ukraine dient Datenmanagement dazu, die Überweisung für Hilfsgelder abzuwickeln. Das ukrainische Rote Kreuz hat seit 2022 im Auftrag der Regierung der Ukraine bisher umgerechnet 9,8 Mio. Euro an insgesamt 127.000 Familien, die Geflüchtete aufgenommen haben, gezahlt. Die Verteilung der Gelder wurde über eine Online-Plattform dokumentiert. Zur Verifizierung, ob die Adressat*innen die Mittel bekommen haben, richtete das Rote Kreuz eine interaktive Website, ein Callcenter und eine Hotline ein, bei der mehr als 9.000 Nachrichten als Rückmeldung eintrafen.
In Timor-Leste stützen sich Entwicklungsexpert*innen sowie die lokale Regierung auf Satellitendaten, die durch Künstliche Intelligenz verarbeitet werden, um aktuelle Informationen über die Vegetationsdecke und landwirtschaftliche Nutzung auszuwerten, wie Paolo Manunta von der Asian Development Bank berichtet.
Die vielseitigen Beispiele zeigen, dass Technologien und Services aus dem fragilen Kontext zahlreiche Verwendungen gefunden haben, die weit über die Fernsteuerung von Projekten hinaus gehen.