Wie Ravin Rizgar die Tech-Welt im Irak verändert

Die Technologiebranche im Irak steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf eine berufliche Laufbahn in diesem Sektor. Vor allem für Frauen, die ihre Leidenschaft und ihr Talent für Technologie weiterentwickeln möchten, sind diese Hürden besonders groß. Wie begegnen Frauen diesen Umständen? Ein Gespräch mit Ravin Rizgar, der Gründerin des Suli Innovation House in Sulaymaniyah, Irak.
Sie sind die Gründerin und Geschäftsführerin des Suli Innovation House, wie kam es zu dieser Idee?

Die Idee für das Suli Innovation House entstand aus meiner Studienerfahrungen. Ich habe 2017 meinen Abschluss in Maschinenbau gemacht. Ein Fachgebiet, das im Irak von Männern dominiert wird. Obwohl ich eine Spitzenstudentin war, hatte ich als Frau Schwierigkeiten, einen Job zu finden.

Daher begann ich zu unterrichten und fand darin für ein  Jahr meine Leidenschaft. Anschließend ging ich zu Field Ready, einer internationalen Nichtregierungsorganisation (NRO) und arbeitete mit dem GIZ Projekt „Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für eine moderne Jugend im Irak“ zusammen, um einen Makerspaces einzurichten. Ich begann als technische Assistentin in Erbil und wurde dann die Programm-Managerin , wodurch ich meine technischen, Management- und Führungsfähigkeiten verbesserte.

Bei Field Ready war ich außerdem verantwortlich für den Aufbau eines neuen Innovationszentrums in einer alten Tabakfabrik in Sulaymaniyah – dem Suli Innovation House. Diese Erfahrung hat mich motiviert, meine eigene NRO, das Innovation House zu gründen. Somit habe ich meinen Traum erfüllt, Unternehmer*innen, Jugendlichen und Frauen einen sicheren Raum für Innovation, Lernen und Austausch zu bieten.

Wie schätzen Sie die Situation von Frauen im Technologiesektor in der Region Kurdistan im Irak ein? Mit welchen Herausforderungen sind sie konfrontiert?

Bei der Beurteilung der Situation von Frauen im Technologiebereich  in der Region Kurdistan im Irak waren meine persönlichen Erfahrungen eine treibende Kraft. Mein Ziel ist es, dass Frauen mit technischem Hintergrund ein unterstützendes Umfeld haben, um an ihren Projekten und Ideen zu arbeiten. Ich erlebe oft, wie Frauen darum kämpfen müssen, ihren Platz in diesem Bereich zu sichern, der von Männern dominiert wird. Bei meinen Gesprächen mit der Privatwirtschaft setze ich mich daher stets für talentierte Frauen ein, indem ich sie in ihren Fähigkeiten bestärke und ihre Anstellung fördere.

Mit welchen Problemen oder Schwierigkeiten haben Sie als junge Geschäftsführerin zu kämpfen?

Als junge Frau, Gründerin und Geschäftsführerin eines Innovationshubs stoße ich oft auf Unglauben. Die Leute glauben nicht, dass ich unermüdlich gearbeitet habe, um diese Position zu erreichen. Während ich den Makerspace in Erbil leitete, absolvierte ich meinen Master in Maschinenbau für additive Fertigungsverfahren, einschließlich eines Aufenthaltes in Deutschland. Ich hatte viele schlaflose Nächte und lange Arbeitstage als wir diesen Ort aufgebaut haben. Von außen ist nicht immer ersichtlich, wie schwierig es ist, einen solchen Raum zu verwalten und zu erhalten. Als Frau muss ich mich doppelt anstrengen, um meine Fähigkeiten in den Bereichen Führung und Management unter Beweis zu stellen – Rollen, von denen man oft annimmt, dass sie eher für Männer geeignet seien.

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Können Sie mir sagen, wie der Innovationshub arbeitet?

Das Suli Innovation House geht nun in sein zweites Jahr und in dieser Zeit haben wir über 600 junge Menschen ausgebildet. Beeindruckend ist, dass mehr als die Hälfte von ihnen entweder einen Arbeitsplatz gefunden oder ein eigenes Unternehmen gegründet hat. Wir legen großen Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern und stellen sicher, dass an jedem Ausbildungsprogramm mindestens 47 Prozent Frauen teilnehmen. Außerdem bieten wir spezielle Schulungen ausschließlich für Frauen an. Unser Hauptaugenmerk liegt  dabei auf der Technologie. Unsere Schulungsprogramme sind so konzipiert, dass sie die Lücke zwischen der Hochschulausbildung und den Anforderungen des Privatsektors schließen  und sich die Beschäftigungsfähigkeit unserer Teilnehmenden verbessert.

Auch wenn die GIZ in den ersten zwei Jahren den größten Teil unserer Schulungen finanziert hat, arbeiten wir aktiv an einer Strategie, um das Zentrum unabhängig von externer Finanzierung zu erhalten. Dazu gehört, dass wir verschiedene Mitgliedschaftspakete für unterschiedliche Bedürfnisse anbieten, sei es für die Nutzung des Tagungsraums, des Makerspace oder des Co-Working Space. Neuankömmlinge können unseren Raum mit einem speziellen Pass einige Tage lang kostenlos erkunden, und wenn eine*r unserer Absolvent*innen eine vielversprechende Startup-Idee hat, unterstützen wir sie oder ihn mit einer kostenlosen Mitgliedschaft für bis zu sechs Monate.

Ein wichtiger Meilenstein für uns war, dass wir uns Finanzierung durch die kurdische Regionalregierung sichern konnten. Außerdem zahlen wir keine Miete, da sich unsere Räumlichkeiten im Besitz der Regierung befinden.

 

Was für ein Team haben Sie für das Suli Innovation Haus zusammengestellt?

Im Suli Innovation House haben wir ein ausgewogenes und engagiertes Team von sechs Personen. Der beeindruckendste Aspekt unseres Teams ist das Gefühl der Einigkeit und Unterstützung, das wir teilen. Viele unserer Teammitglieder waren zuvor Kursteilnehmende. Wir stellen vorrangig Absolvent*innen unserer Schulungsprogramme ein, was eine tief verbundene und unterstützende Teamdynamik begünstigt.

Wir haben ein offenes Umfeld aufgebaut, in dem jede*r ermutigt wird, Gedanken und Meinungen mitzuteilen, ohne Angst vor einem Urteil zu haben. Alle Bedenken oder Unzufriedenheiten können frei geäußert und im Team diskutiert werden. Unser Ansatz ist sehr familiär, wir besprechen regelmäßig Ideen miteinander, auch solche, die nichts mit der Arbeit zu tun haben.

Der Kern von Suli Innovation House geht über jeden Einzelnen hinaus, mich eingeschlossen. Auch wenn ich heute an der Spitze stehe, weiß ich, dass die Zukunft andere Führungskräfte mit neuen Impulsen bringen könnte. Unser Ziel ist es, diese Denkweise in der Organisation zu verankern und einen Arbeitsraum und eine Gemeinschaft zu schaffen. Bei Suli Innovation House geht es um eine kollektive Anstrengung, nicht nur um die Vision einer einzelnen Person.

 

Ravin Rizgar hat mit ihren 29 Jahren als Maschinenbauingenieurin, Gründerin und Geschäftsführerin des Suli Innovation House bereits große Fortschritte in der Technologiebranche gemacht. Sie ist in Sulaymaniyah geboren und aufgewachsen und hat ihr Fachwissen durch einen Master-Abschluss in additiven Fertigungsverfahren erweitert.

Ravin engagiert sich für den Aufbau einer unterstützenden Gemeinschaft für die Jugend von Sulaymaniyah, Irak, mit besonderem Schwerpunkt auf der Förderung von Unternehmerinnen und Innovatorinnen. Ihre frühere Rolle als Managerin des „Erbil Innovation House“ Irak, unterstreicht ihre Führungskompetenz in diesem Bereich. Sie ist die einzige weibliche Geschäftsführerin eines Makerspaces im Irak und ebnet den Weg für Frauen im Bereich Technologie und Innovation.